schriftsprachige
LOSER (2002)
1
unter hyänen ein
winner zu sein
zeigt doch nicht
von größe
höchstens von
anpassungsfähigkeit
jedenfalls von
skrupellosigkeit
2
du brauchst
den sieg über andere
kleiner mann ?
tröste dich
du teilst mit allen
die gleich dir
tag für tag ausziehen
sieger zu sein
die niederlage
3
wer aufrecht
sein tagwerk beginnt
wer anderen nicht
die ehre beschneidet
zum persönlichen vorteil
wer seine kinder fragt
was sie von ihm halten
wer niemandem ein x
für ein u vormacht
der ist ein winner
HALTUNG (2012)
mein gott
was haben wir gelacht
und geschimpft
über die idioten
die immer den rücken beugen
vor ihren ausbeutern
jetzt
steht kaum einer
von uns
mehr aufrecht
ABGESANG (2014)
Der Schoß war fruchtbar noch
Das Kind ist ausgewachsen und furchtbar
Die Schwelle ist schon längst überschritten
Wieder wird der Faschismus salonfähig
Wieder feiert der Antikommunismus fröhliche Urständ
Und das Kapital kultiviert längst geübte Brutalität
Die Nationalisten rechtfertigen sich gegenseitig
Die Faschisten erst recht
Die furchtbar Angst haben
Bekämpfen sie mit Terror
Die Mutigen überlegen jeden Schritt
Mafia ist nicht das Gegenteil von Kapitalismus
Die Mörder tragen feines Tuch und haben saubere Hände
Die Herrschaft des Kapitals heißt bei uns Demokratie
Die Schleier werden multimedial vor die Augen gezogen
Die blühenden Äcker sind unreiner Betrug
Statt Emanzipation gibt es Geschlechterkampf
Gerechtigkeit hat keine Lobby
Stattdessen wird Recht gesprochen
Die Dummheit ist Staatsräson und Bildungsauftrag
Die Verzweiflung ersäuft sich am Ballermann
Das Glückspiel ersetzt die Gerechtigkeit
Und Freiheit ist ein Begriff mit einem kapitalen Endsieg
Der Faschismus lächelt aus jedem Werbeplakat
Er hat längst die Macht und steckt in den Köpfen
Was er auf heißem Weg nicht erreicht hat
Erreicht er auf kaltem
Der Nazimob auf den Straßen
Ist nur der hingeworfene Knochen
Und Antifaschisten sollen die Hunde spielen
Sie tun es zu oft
*
Wo es keine Hilfe mehr gibt ist Mensch hilflos
Die Wahrheit ist jetzt ein virtuelles Vexierspiel
Der Weltuntergang ist keine Utopie mehr
(Für Heidrun Hegewald)
Günter Grass Tot
Und wieder einmal toben
mit lautem Geraschel
die Stürme der Schönschwätzer im Trauerflor
durch die Gazetten und
mischen sich mit
den Winden der Erleichterung
auf allen Kanälen der
gesellschaftlichen Fälscherwerkstätten.
Der institutionalisierten Korruption.
Der selbstzensierten Wahrheitssucher.
Endlich darf man.
Endlich kann man.
Ungebremst.
Unverhohlen.
Selbstgerecht. Denn
ein wortgewaltiger Sprecher
der Wortlosen ist tot.
Ein Unbeirrbarer sei er gewesen.
Doch Einer der aus dem Bauch.
Doch Einer der aus dem Gefühl.
Nicht der Intellekt sei es gewesen.
Da konnte er schon mal irren
der Unbeirrbare.
Da durfte er auch.
Irrtum.
Wer weiß wirklich was
von Günther Grass?
Anmaßungen marschieren
Hand in Hand mit Mutmaßungen.
So ist es immer
nachher.
Ein Großer sei gegangen.
Ein Trommler kläfft die Analogie.
Und wieder einmal können
die Bildungsbürger vereinnahmen
und verausgaben.
Ungestraft.
Der Wehrhafte liegt
wehrlos auf ewig.
Er habe sich nie angepasst
loben ihn die Angepassten.
Auch er sei doch einmal
den falschen Weg gegangen
vereinnahmen ihn die Alltagslügner.
Fett Honig und Arsen
triefen aus jedem ihrer Sätze.
Und ersticken die leisen Töne
der ehrlich Trauernden.
Die Interpreten haben jetzt
das Sagen.
Die Wissenden.
Genau das selbstgefällige Geschwätz
dem er zu entkommen suchte
wird ihm nachgeworfen.
Ach lassen wir ihn ruhen.
Bis wir wissen was bleibt.
Bis Grass
über die Sache gewachsen ist.
(aus dem Zyklus "Schlafstörungen")
68er und mehr
ach wir linken träumer
hatten ja so recht
keiner unserer schlimmsten
albträume der nicht
in erfüllung gegangen wäre
keine unserer verträumten
illusionen die heute nicht
so notwendig wären
jetzt da meine jahre
sich der belächelten verkannten
zahl nicht ohne mühe nähern
und mich der schauder packt
vor dieser ungeahnten wirklichkeit
die alle unsre ängste schlägt
wünsch ich zurück mir
diese kraft der jugend
die grenzenloses lieben
schaffen wollte ohne
waffen ohne not
mit der verspielten hoffnung diese
gier der machtgewordnen dummheit
des grenzenlosen raffens
besiegen zu können wie einst
der sagenhafte ritter
seinen drachen angst
nicht kleiner wird der zorn
über das unrecht
nicht milder wird das urteil
über die blutsauger
das geht gar nicht
wenn du einmal die liebe
geahnt hast zu der
die menscheit fähig wäre
im schein der hellen träume
geträumt mit deinen freunden
so nah und doch so fern
so wahr und doch verstellt
von dieser angst ums tägliche
von dieser wucht der niederlage
dessen was wir menschlichkeit benannt
ach lass uns wieder träumen
jetzt da die zeit beschränkter
die müdigkeit stärker
und hilfloser der zorn
und lass uns kräfte schöpfen
ungeahnter stärke aus unsren
nie erfüllten träumen
die uns den weg gewiesen
in eine zeit wo brechtbelesne
wesen einander helfer sind
das sind nicht kinderträume
die wir nicht missen sollten
das sind gelebte träume
zu denen menschen fähig
und die in diesen finsteren zeiten
doch jeden tag zu finden sind
will wieder träume haben
die im schöpferischen miteinander
uns selber finden lassen
(aus dem Zyklus "Schlafstörungen")
DIE HILFLOSEN ZEITEN
Einige Begriffe fürchtet
In unseren Zeiten der Lähmung
Die Linke wie
Der Teufel das Weihwasser
Kampf zum Beispiel
Im Besonderen Klassenkampf
Leider kann man die Schmarotzer nicht
Zu Tode streicheln.
Also führen die Großprofiteure
Ihren Klassenkampf
Ungestört
unverschämt
offen
Aber auch der wissenschaftliche Begriff
Sozialismus ist gefürchtet
Obwohl nur beschreibend
Aber nicht festlegend
Und tatsächlich verzweifelt irren
Wie Lämmer auf der Flucht vor
Dem bösen kapitalistischen Wolf
Die versprengten Linken durch die
Verrottenden Fluren der
Kapitalistischen Landschaften
Und übersehen dass einfache Antworten
Nicht Unbedingt
Falsche Antworten sein müssen
Aus lauter Angst Fehler zu begehen
Wird gehin- und gerücksichtelt
Vermieden und gevorsichtelt
Und letztendlich werden alle
Alten Fehler weiter begangen
Dabei hat der alte Fuchs Lenin
Schon unantastbar richtig formuliert:
Klug ist nicht
Wer keine Fehler macht
Sondern wer sie
Schnell verbessert
Aber um Gottes Willen
Lenin!
mundartige
JO JO DE LEID (1979)
de leid san so oag
sogn de leid
de leid gengan ma auf de neavn
sogn de leid
jo jo de leid
sogn de leid
de masse is dumm
sogd de masse
de masse kriagd ned gnua
sogd de masse
jo jo de masse
sogd de masse
da mensch is a sau
sogn de menschn
da mensch lost si ois gfoin
sogn de menschn
jo jo da mensch
sogn de menschn
resume: de leid san de masse
de masse san de menschn
de menschn san de leid
NUA I BIN I
früschdüg (2005)
es is goaned so leichd
midn foischn fuas
aufschde
es is goaned so leichd
unfreindlich sei
in da frua
es is goaned so leichd
debressionan haum
beim früschdüg
waond muagnsun
beim fensda einablinzld
da kafeesmog scho
duachd wonung wabbad
de frischn semön
aom disch schdengan
und dei frau de aoschdroid
wira frisch lagiads
hudschpfead
i was
des is sötana
wia weinochdn und osdan
und riachd noch
an weabefüm
owa es kaun da
s lem retn
im lezdn momend
a waunsdas fuahea
no goaned gmeagd hosd
dos da damogles
scho sei schwead
aufghengd hod
iwa dia
weula sunsd nix
zan duan hod
daon frog nix
greif zua
beis eina
ins resche lem
genis afoch
jedn schlug lem
und vaseng di
in deinar oidn
und vagis
de robnschwoazn gedaungn
von da nochd
früschdüg is
ES GED WIDA AUFWEATS
na supa
wos brauch i des
wos beago scho
so auschdrengand
gwesn is
fia nix a zeid hom (2003)
zeid hom
endlich amoi wida
so richdig
zeid hom
fia nix
afoch debad
in da gegnd
umadumlign
de bleamaln
bein woxn
zuaschaun
de wön zön
de aom schraund
hibladschn
oda woadn
bis da zaga
widar an hupfa mochd
endlich amoi
wida
fia nix
a zeid haom
des wars
fia heit